gesetzliche Grundlagen des elektronischen Rechtsverkehrs
Mit der ERVB werden die Regelungen des § 5 der ERV aktualisiert. Als zulässige Dateiformate werden PDF einschließlich PDF 2.0, PDF/A-1, PDF/A-2, PDF/UA und TIFF Version 6 festgelegt, als körperliche Datenträger CD und DVD. Die Anzahl elektronischer Dokumente in einer Nachricht auf höchstens 100 Dateien begrenzt und das Volumen elektronischer Dokumente in einer Nachricht auf höchstens 60 Megabyte begrenzt.
Mit der ERVV werden nun erstmalig einheitliche technische Standards für den elektronischen Rechtsverkehr festgelegt. Wichtigster Regelungsinhalt der Verordnung: PDF wird das Standardformat für den Dokumentenaustausch im elektronischen Rechtsverkehr. Falls für die bildliche Darstellung erforderlich, darf auch das .TIFF Format verwendet werden. Die im EGVP noch übliche Containersignatur ist nicht mehr zulässig.
Das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des
elektronischen Rechtsverkehrs ergänzt und erweitert das bereits 2013 veröffentlichte Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten. Erneut werden verschiedene Verfahrensordnungen um gesetzliche Regelungen für den elektronischen Rechtsverkehr ergänzt bzw. erlassen und damit die Voraussetzungen für die umfassende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs geschaffen. So werden umfangreiche Regelungen und Verordnungsermächtigungen u.a. in der Strafprozeßordnung STPO und dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten erlassen.
Weiterhin finden sich in dem Gesetz die Änderungen der Regelungen zum Entfall der qualifizierten elektronischen Signatur bei Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg sowie die Änderungen des § 702 ZPO wonach für Rechtsanwälte und Inkassounternehmen Folgeanträge im Mahnverfahren ab 01.01.2018 nur noch in maschinell lesbarer Form erfolgen dürfen.
Die Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung, kurz RAVPV, wurde ergänzend zur bisherigen Gesetzgebung erlassen, um Detailfragen zu klären und allgmeine Angaben zu präzisieren. Ob dies mit Erfolg geschehen ist, wird sich zeigen. Erste Stellungnahmen fachkundiger Kollegen gehen von einer Verfassungswidrigkeit der RAVPV aus - http://www.werner-ri.de/rechtsnews/news/news/verfassungswidrige-ravpv-gerichtstermin-am-28092016-und-ungewisser-bea-start-am-29092016/.
Wir haben die RAVPV hier zum Download hinterlegt: http://www.elektronischer-rechtsverkehr.de/download/bgbl116s2167_158426_RAVPV_Bundesanzeiger.pdf
Die wichtigsten Paragraphen der RAVPV aus unserer Sicht:
§ 31: Übergangsregelung
"Bis zum 31. Dezember 2017 muss der Postfachinhaber Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach nur dann zur Kenntnis nehmen und gegen sich gelten lassen, wenn er zuvor seine Bereitschaft zu deren Empfang über das besondere elektronische Anwaltspostfach erklärt hatte. Die Erklärung kann nicht beschränkt werden. Die Erstanmeldung am Postfach und der Versand nicht berufsbezogener Mitteilungen gelten nicht als Erklärung der Empfangsbereitschaft."
§ 20: Führung der besonderen elektronischen Postfächer
"Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zu gewährleisten, dass bei einem Versand nicht qualifiziert signierter elektronischer Dokumente durch einen Rechtsanwalt auf einem sicheren Übermittlungsweg für den Empfänger feststellbar ist, dass die Nachricht von dem Rechtsanwalt selbst versandt wurde."
Gesetze und Verordnungen zum ERV
Die nachfolgend aufgeführten Gesetze, Richtlinien und Verordnungen bilden im Wesentlichen die rechtliche Basis des Elektronischen Rechtsverkehrs in Deutschland:
Gesetzgebungsverfahren und Gesetzesmaterialien
Verfahrensordnungen und Gerichtsbarkeiten
Das ERV-Gesetz sieht Änderungen in den folgenden Prozessordnungen vor:
Ausgenommen von der Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs sind:
In Kraft ab 17.10.2013:
§ 371b
Beweiskraft gescannter öffentlicher Urkunden
Wird eine öffentliche Urkunde nach dem Stand der Technik von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person in ein elektronisches Dokument übertragen und liegt die Bestätigung vor, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimmt, finden auf das elektronische Dokument die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung. Sind das Dokument und die Bestätigung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, gilt § 437 entsprechend.
In Kraft ab 01.07.2014:
§ 130c ZPO
Formulare; Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium der Justiz kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates elektronische Formulare einführen. Die Rechtsverordnung kann bestimmen, dass die in den Formularen enthaltenen Angaben ganz oder teilweise in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln sind. Die Formulare sind auf einer in der Rechtsverordnung zu bestimmenden Kommunikationsplattform im Internet zur Nutzung bereitzustellen. Die Rechtsverordnung kann bestimmen, dass eine Identifikation des Formularverwenders abweichend von § 130a Absatz 3 auch durch Nutzung des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes oder § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen kann.
§ 169 ZPO
Bescheinigung des Zeitpunktes der Zustellung; Beglaubigung
(1) Die Geschäftsstelle bescheinigt auf Antrag den Zeitpunkt der Zustellung.
(2) Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke wird von der Geschäftsstelle vorgenommen. Dies gilt auch, soweit von einem Anwalt eingereichte Schriftstücke nicht bereits von diesem beglaubigt wurden.
(3) Eine in Papierform zuzustellende Abschrift kann auch durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt werden. Anstelle der handschriftlichen Unterzeichnung ist die Abschrift mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Dasselbe gilt, wenn eine Abschrift per Telekopie zugestellt wird.
(4) Ein Schriftstück kann in beglaubigter elektronischer Abschrift zugestellt werden. Die Abschrift ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu versehen.
(5) Ein nach § 130b errichtetes gerichtliches elektronisches Dokument kann in Urschrift zugestellt werden; einer Beglaubigung bedarf es nicht.
§ 317 ZPO
Urteilszustellung und -ausfertigung
(1) Die Urteile werden den Parteien, verkündete Versäumnisurteile nur der unterliegenden Partei in Abschrift zugestellt. Eine Zustellung nach § 310 Abs. 3 genügt. Auf übereinstimmenden Antrag der Parteien kann der Vorsitzende die Zustellung verkündeter Urteile bis zum Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung hinausschieben.
(2) Ausfertigungen werden nur auf Antrag und nur in Papierform erteilt. Solange das Urteil nicht verkündet und nicht unterschrieben ist, dürfen von ihm Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften nicht erteilt werden. Die von einer Partei beantragte Ausfertigung eines Urteils erfolgt ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe; dies gilt nicht, wenn die Partei eine vollständige Ausfertigung beantragt.
(3) Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften eines als elektronisches Dokument (§ 130b) vorliegenden Urteils können von einem Urteilsausdruck gemäß § 298 erteilt werden.
(4) Die Ausfertigung und Auszüge der Urteile sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen.
(5) Ist das Urteil nach § 313b Abs. 2 in abgekürzter Form hergestellt, so erfolgt die Ausfertigung in gleicher Weise unter Benutzung einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift oder in der Weise, dass das Urteil durch Aufnahme der in § 313 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Angaben vervollständigt wird. Die Abschrift der Klageschrift kann durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder durch den Rechtsanwalt des Klägers beglaubigt werden.
In Kraft ab 01.01.2016:
§ 31a BRAO (neu)
Besonderes elektronisches Anwaltspostfach
(1) Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet nach Überprüfung der Zulassung und Durchführung eines Identifizierungsverfahrens in dem Gesamtverzeichnis nach § 31 für jeden eingetragenen Rechtsanwalt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein. Das besondere elektronische Anwaltspostfach soll barrierefrei ausgestaltet sein.
(2) Die Bundesrechtsanwaltskammer hat sicherzustellen, dass der Zugang zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur durch ein sicheres Verfahren mit zwei voneinander unabhängigen Sicherungsmitteln möglich ist. Sie kann unterschiedlich ausgestaltete Zugangsberechtigungen für Rechtsanwälte und andere Personen vorsehen.
(3) Sobald die Zulassung erloschen ist, hebt die Bundesrechtsanwaltskammer die Zugangsberechtigung zu dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach auf und löscht dieses.
§ 945a ZPO
Einreichung von Schutzschriften
(1) Die Länder führen ein zentrales, länderübergreifendes elektronisches Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister). Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung.
(2) Eine Schutzschrift gilt als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, sobald sie in das Schutzschriftenregister eingestellt ist. Schutzschriften sind sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen.
(3) Die Gerichte erhalten Zugriff auf das Register über ein automatisiertes Abrufverfahren. Die Verwendung der Daten ist auf das für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Erforderliche zu beschränken. Abrufvorgänge sind zu protokollieren.
In Kraft ab 01.01.2017:
§ 49c BRAO (neu)
Einreichung von Schutzschriften
Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, Schutzschriften ausschließlich zum Schutzschriftenregister nach § 945a der Zivilprozessordnung einzureichen.
In Kraft ab 01.01.2018:
Der 01.01.2018 ist das allgemeine Inkrafttretensdatum des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013. An diesem Tag treten alle Vorschriften in Kraft, für die nicht ein anderes Inkrafttretensdatum bestimmt wurde.
Ab 1.1.2018 besteht grundsätzlich die Möglichkeit für die Anwaltschaft, elektronische Dokumente auch ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Gericht über das besondere elektronische Anwaltspostfach einzureichen. Die Bundesländer haben allerdings die Option, die Eröffnung des elektronischen Kommunikationswegs bis zum 31.12.2018 oder 31.12.2019 zu verschieben. Das Verschieben hat durch die Länder einheitlich für alle Gerichtszweige zu erfolgen (Art. 24 Abs. 1 S. 2, sog. „Opt-Out“).
§ 130a ZPO
Elektronisches Dokument
(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der folgenden Absätze als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich bei einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und er glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
In Kraft ab 01.01.2022:
§ 130d ZPO
Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden*
Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen.
*analoge Regelungen bestehen den anderen Verfahrensordnungen: vgl. § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG, § 55d VwGO und § 52d FGO.
Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ist beschlossene Sache. Die gesetzlichen Grundlagen finden Sie auf dieser Seite. Natürlich ist die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs keineswegs abgeschlossen.
Beispielsweise wird aktuell über die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen beraten. Auch hier sind natürlich weitere gesetzliche Grundlagen zu schaffen und die entsprechenden Prozessordnungen anzupassen.
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